Für eine Woche darf ich den Kumpan Electric 1953 testen. Ein Elektroroller im Retrodesign mit einer Reichweite von 120 Kilometern. Ideal für die Großstadt, denn die Akkus kann man einfach mit in die Wohnung oder ins Büro nehmen und dort an der Steckdose aufladen. Der Kumpan fällt nicht nur durch sein Design auf, sondern auch weil er fast lautlos durch den Verkehr gleitet.
Im Frühjahr habe ich den Unu-Roller getestet. Jetzt bin ich für eine Woche mit dem Kumpan Electric 1953 unterwegs. Hier ein kleines Testtagebuch.
Donnerstag – Eine erste große Runde durch Stuttgart
Heute habe ich den Kumpan beim Autohaus Roth, dem Kumpan-Händler in Stuttgart abgeholt. Nach einer kurzen Einweisung ging es direkt los. Erstmal 16 Kilometer bis zu mir nach Hause und meine Umhängetasche gegen einen Rucksack getauscht, um später meine Einkäufe nach Hause bringen zu können.
Dann ging es runter in den Kessel auf der Suche nach was zum Essen. Der Kumpan verdreht unterwegs viele Köpfe. Das liegt nicht nur am Retrodesign, sondern vor allem daran, dass er so leise dahingleitet. Die Leute sehen einen Roller aber sie hören und riechen nichts. Dank Elektromotor knattert und stinkt nichts. Eine ganz neue Wahrnehmung. Nach dem Essen musste der kleine Flitzer direkt seinen ersten Härtetest bestehen. Vom Marienplatz ging es die Alte Weinsteige hinauf. Die Strecke ist so steil, dass statt einer Straßenbahn hier eine Zahnradbahn, die Zacke, fährt. Da hat der zwei Kilowatt-Motor ordentlich zu schaffen und der Roller wird deutlich langsamer.
Dafür hat der Kumpan jedoch einen Boost-Knopf. Der gibt dem Motor kurzfristig extra Leistung, so dass der Roller anstandslos die 207 Höhenmeter erklimmt. Oben angekommen geht es über Sillenbuch wieder runter nach Hedelfingen und dann den Stich wieder hoch auf den Frauenkopf. Elektrisch Roller fahren ist nochmal ein ganz besonderes Erlebnis und zaubert das typische Elektrogrinsen ins Gesicht. Mal schauen, ob der Kumpan auch im Laufe der Woche im Alltag überzeugen kann. Meine Zoe hat jetzt erstmal eine Woche Pause. Am Wochenende geht es auf eine längere Rollertour. Ich wisch mir jetzt erstmal das Grinsen aus dem Gesicht.
Freitag – Zeig, was du kannst!
Heute musste der Kumpan zeigen was er kann. Über Sillenbuch und Lederberg ging es nach Esslingen und hier die Berge hoch bis Baltmannsweiler. Noch über ein paar Kuppen und es ging wieder ins Tal. Dann noch Abendessen in Stuttgart und wieder hoch zum Frauenkopf. Dabei bin ich bewusst immer Vollgas gefahren. Wenn es den Berg hochging, habe ich so oft wie möglich den Turbo eingeschaltet. Die gesamte Strecke waren etwa 85 Kilometer. Als ich wieder vor der Haustür ankam, waren die Akkus fast komplett leer. Etwa 500 Meter vor meinem Ziel hat der Kumpan schon die Leistung reduziert und es ging nur noch mit etwa 25 Kilometern in der Stunde vorwärts.
Der von mir getestete Kumpan hat drei Lithium-Eisenphosphat-Akkupakete im Bauch. Der Hersteller gibt pro Akku eine Reichweite von 40 Kilometer an. Im Grundpreis des Rollers von 3.249 Euro ist ein Akku enthalten. Ein zusätzlicher Akku kostet 599 Euro. Dass der Kumpan bei dieser Fahrweise nicht die angegebene Reichweite schafft, ist logisch. So würde aber wohl auch niemand im Alltag mit dem Roller durch die Gegegend heizen. Trotzdem sind 85 Kilometer und wären selbst noch 57 Kilometer mit zwei Akkus völlig ausreichend. Denn im Büro oder zu Hause kann man die Akkus ja wieder laden.
Laut Stromzähler brauchte es 3,2 Kilowattstunden um die drei Akkus wieder voll aufzuladen. Bei einem Strompreis von 30 Cent pro Kilowattstunde hat mich die Ausfahrt also gerade mal 96 Cent gekostet oder 1,13 Cent pro Kilometer. Aber schafft der Kumpan auch wirklich die angegebenen 120 Kilometer?
Samstag – Eine schöne Ausfahrt mit bitterem Ende
Am Samstag erwachte ich mit Blick auf strahlend blauen Himmel. Ein perfekter Tag, um eine schöne Ausfahrt mit dem Kumpan zu machen. Die Strecke ging über Sillenbuch, Ostfildern, Filderstadt, Dettenhausen über die Kuppe nach Tübingen. Von dort sollte es am Neckar entlang über Wendlingen und Esslingen wieder nach Hause gehen. Dabei bin ich gemütlich gefahren. Ich hatte inzwischen ein besseres Gefühl für den Stromzug, so dass ich die Energiezufuhr zum Motor besser und feiner dossieren konnte.
Unterwegs bin ich an ein paar „Sie fahren XX km/h”-Tafeln vorbei gekommen. Die sind immer ein gute Möglichkeit die Genauigkeit des Tachos zu prüfen. Und der Tacho des Kumpan geht auf’s km/h genau.
Bis Tübingen waren es etwa 55 Kilometer. Dort wollte ich die Zeit zum Mittagessen nutzen um ein bisschen nachzuladen. Denn für die 70 Kilometer zurück, würde es wahrscheinlich nicht reichen. Bei den Stadtwerken Tübingen steht eine Ladesäule mit zwei Schukoanschlüssen. Also konnte dort der Kumpan nachladen. Laut Ladesäule hat die Zeit hat der Kumpan in der Zeit ein halbes Kilowatt geladen. Aber ob das zurück bis nach Stuttgart reicht?
Bis Wendlingen hatte ich dann 120 Kilometer auf der Uhr. Da es auf dem Weg doch öfters Bergauf ging, wurde es also dringend Zeit, dass ich eine Steckdose finde. Am besten an einem Biergarten. Im ersten Lokal verwies mich der Kellner an die Pedlec-Ladestation ums Eck am Busbahnhof. Diese war leider außer Betrieb. Inzwischen machte der Kumpan keinen Mucks mehr. Die Akkus waren alle. Das erste mal, dass ich mit leeren Akkus liegen geblieben bin. Aufgrund der Topografie hat der Roller nicht ganz die 120 Kilometer geschafft.
Also weiter nach einer Steckdose suchen, da die meisten Lokale noch Mittagspause hatten. Nach gut 30 Minuten Suche habe ich dann im Gasthaus zum Lamm Strom und Bewirtung gefunden. Im Biergarten gab es eine Steckdose und ein kühles alkoholfreies Weizen für mich.
Nach 90 Minuten zeigte die Anzeige auf den Akkus jeweils 60 Prozent an. Dass sollte locker für die letzten knapp 30 Kilometer nach Hause reichen. In Rohracker reduzierte der Kumpan dann plötzlich die Leistung und knapp einen Kilometer später stand ich. Die Kapazitätzanzeige am Akku ist also ziemlich unzuverlässig. Zum Glück waren es nur wenige Meter bis zur nächsten Ladeäule. Also wieder schieben. Als ich den Roller anstöpselte, wollte er aber nicht mehr laden.
Also ging ich davon aus, dass die Säule wohl mal wieder eine Macke hatte und habe mir ein Car2go besorgt und bin mit den Akkus und dem Ladegerät im Gepäck die letzten zwei Kilometer nach Hause gefaren. Doch auch dort wollte keiner der drei Akkus mehr laden. Der Fehler war ziemlich schnell gefunden. Am Ladegerät war die eingangseitige 10 Ampere-Feinsicherung durchgebrannt. Leider hatte ich keine mehr zu Hause, so dass der Kumpan die Nacht und den Sonntag alleine ein Rohracker verbringen musste.
Bis der Roller in Rohracker stehen blieb und nicht mehr laden wollte, hatte ich eine wunderschöne Ausfahrt bei fast optimalen Wetter. Jeder Kilometer mit dem Kumpan hat Spaß gemacht. Fast lautlos durch die Landschaft zu gleiten, ohne dabei alle mit Abgasen vollzupesten ist wunderbar. Die Kapazitätsanzeige am Akku und Roller ist derzeit noch spannungsbasiert. Beim Beschleunigen geht die Anzeige immer nach unten. Wie weit die Anzeige abfällt, ist dann ein Indiez, wie voll der Akku tatsächlich noch ist. Ab 2015 will Kumpan in die neuen Roller eine verlässlichere Anzeige einbauen. Ich denke aber, dass man schnell ein Gefühl dafür bekommt, wie voll die Akkus noch sind und die Anzeige zu interpretieren lernt.
Montag – Wiederbelebung
Heute ging es dann in der Mittagspause zu Conrad, einen Packen 10 Ampere Feinsicherungen kaufen. Nachdem ich sie dann heute Abend gewechselt habe, konnte ich einen Akku wieder laden und mit vollem Akku im Car2go den Kumpan wieder abholen. Jetzt steht er vor der Tür und lädt alle drei Akkus wieder. Warum die Sicherung durchgebrannt ist, lässt sich nicht nachvollziehen. Laut Händler und Hersteller passiert das eigentlich auch nicht.
Dienstag – Alles wieder gut
Ich bin wieder Kumpel mit dem Kumpan. Der kleine Zwischenfall mit der defekten Sicherung im Ladegerät war zwar ärgerlich, aber kein Weltuntergang. Die Reperatur hat gerade mal 29 Cent gekostet und der Sonntag war komplett verregnet, so dass ich sowieso nicht rumrollern konnte. Der Fahrspaß mit dem Retroroller entschädigt dann auch wieder für die erlittene Unbill.
Der Roller bringt mich treu zum Einkaufen, in die Stadt und auf die Arbeit. Alle täglichen Wege sind kein Problem für den Kleinen. Selbst mit einem Akku würde die Reichweite absolut reichen. Mal eine Beispielrechnung: Mit einem Akku fährt der Roller zwischen 30 und 40 Kilometer weit. Das klingt erstmal erschreckend wenig. Doch bei einer Höchstgeschwinigkeit von 45 Kilometern in der Stunde kann man kanpp eine Stunde fahren. Und die wenigsten dürften jeden Tag 40 Kilometer einfache Strecke mit dem Roller pendeln. Und wenn doch, gibt es einen zweiten und dritten Akku und ein Schnellladegerät, welches einen Akku in gut einer Stunde wieder auflädt. In knapp vier Stunden sind dann alle drei Akkus wieder voll, wenn sie vorher ratzeputze alle waren.
Mittwoch – Fotosession
Heute ist schon der vorletzte Tag mit meinem Kumpan. Daher geht es Abends zur Fotosession, bei der ich den Roller angemessen in Szene setze. Die Bilder gibt es auf flickr zu sehen.
Donnerstag – Abschied
Die Woche ist schon wieder vorbei und ich muss den Kumpan schweren Herzens wieder zurück geben. Gerne wäre ich noch ein paar Tage länger mit dem kleinen weißen Flitzer durch die Gegend gesaust.
Fazit
Bei aller Begeisterung hat der Kumpan leider auch ein paar Schwächen. Doch vor dem Meckern, soll man immer loben. Auffällig war die größtenteils gute Verarbeitung des Rollers, wie man auch auf den Bildern sieht. Die herausnehm- und erweiterbaren Akkus machen den Roller zum idealen Homo-Metropolis-Vehikel. Für den Kumpan gibt es ein bundesweites Händlernetz. In der Zentrale in Remagen befindet sich ein riesiges Ersatzteillager. Sollte also mal, etwa durch einen Sturz, was kaputt gehen, ist schnell Ersatz beschafft. Bis auf Akkus und Elektromotor kann den Service jede Rollerwerkstatt machen.
Praktisch ist auch das Schnellladegerät, dass den Kumpan vor allem für Flotteneinsätze bei Zustell- und Lieferdiensten prädestiniert. Leider ist der Lüfter des Schnellladegerätes ziemlich laut. Das Standard-Ladegerät, dass für den normalen täglichen Einsatz ausreicht hat allerdings gar keinen Lüfter und ist daher flüsterleise. Gerade im bergigen Stuttgarter Raum habe ich die Rekuperation vermisst. Hier wären sicher ein paar Kilometer Reichweite mehr drin und vor allem ein deutlich geringerer Bremsenverschleiß. Die oben bemäkelte Kapazitätsanzeige will Kumpan ab Anfang nächsten Jahres durch eine wesentlich zuverlässigere ersetzen.
Der Preis für den getesteten Roller lag bei 4.765 Euro. Der Grundpreis liegt bei 3.249 Euro. Dafür gibt es einen stylischen E-Roller, der sich nicht hinter der gleich teuren Knatter-Konkurrenz verstecken muss. Ein zusätzlicher Akku kostet 599 Euro. Hier wäre es schön, wenn man beim Händler für längere Touren auch einen Akku übers Wochenende mieten könnte. Denn im Alltag reicht meistens ein Akku. Das Topcase schlägt mit 99 Euro zu Buche. Wer nicht auf die Weißwandreifen verzichten möchte muss nochmal 219 Euro extra auf den Tisch legen.
Wer lieber zu Zweit fahren möchte, sollte sich den Kumpan electric 1954 anschauen. Für die, die es schneller mögen, soll es bald den Kumpan electric 1955 geben.
Die Vorteile auf einen Blick
+ gute Verarbeitung
+ 100 Kilometer für weniger als einen Euro
+ Turbo-Boost-Funktion
+ herausnehmbarer Akku
+ Reichweite durch bis zu zwei weitere Akkus erweiterbar
+ Steuerung lädt und entlädt die Akkus gleichmäßig
+ optionales Schnellladegerät
+ Händler- und Werkstattnetz
+ Ersatzteillager und Zentralwerkstatt in Deutschland
+ Tempomat (für Maximalgeschwindigkeit)
+ durchdachtes Designkonzept mit passendem Zubehör vom Helm bis zur Rollergarage
+ und vor allem: Knattert und stinkt nicht!
Nicht so knorke war
– keine Rekuperation
– spannungsbasierte Kapazitätsanzeige (ab 2015 soll eine präzisere Anzeige kommen)
– schwergängige Stecker für Akkus und Ladegerät (ab 2015 soll es neue Stecker und Buchsen geben)
– kein wasserdichtes Ladegerät um an öffentlichen Säulen zu laden.
– Lüfter vom Schnellladegerät ist ziemlich laut
Ich sehe keinen vernünftigen Grund, sich heute noch einen Roller mit Verbrennungsmotor zu kaufen. Wem die gut 3.000 Euro noch zu viel sind, sollte zum einen bedenken, dass sowohl Unterhalt als auch „Treibstoff” viel günstiger sind. Der Fahrcomfort und das gute Gefühl lassen sich sowieso nicht in Euro aufwiegen. Für kleinere Geldbeutel gibt es den einfacheren und kleineren Unu-Roller ab etwa 1.700 Euro.
Anfang des Jahres habe ich vorausorakelt, dass der Elektroroller heuer einen Boom erleben wird. Der richtige Boom ist noch nicht losgegangen. Doch das Interesse an Elektrorollern steigt spürbar an, wie ich an meinen Seitenstatistiken deutlich sehe.
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11 Kommentare
[…] Der Kumpan Electric 1953 im ZoePionierin-Test Elektrofahrräder sind ein Verkaufsschlager. Bei Rollern hat sich der Elektroantrieb noch nicht durchgesetzt. Ein Start-up aus München will das jetzt mit dem Unu Elektroroller ändern. Warum auch nicht, denn… Elektroroller Fahrbericht Flotte München Test Unu […]
Hallo Jana,
das ist ja interessant!
Kann man den Roller ganz normal mit dem Autoführerschein fahren oder braucht man dazu einen Motorradführerschein?
LG
Der Roller ist wie eine 50er auf 45 km/h begrenzt. Du kannst ihn also mit dem normalen Autoführerschein fahren.
Hallo Jana,
wieder sehr informtiv und interessant, guter Beitrag.
Nur…den Donnertsag solltest du dann doch lieber in Donnerstag umbenennen
(erste Überschrift)
🙂 LG
Danke für den Hinweis. Ich habe es geändert 🙂
Hallo Jana,
lese beide Berichte mit Begeisterung. Doch die Streu trennt sich vom Weizen, wenn man genauer in die Papiere schaut. Der UnU wird nur mit max. 84kg Zuladung freigegeben, der zweite Akku muss davon auch abgezogen werden! Für einen Zweisitzer sehr unrealistisch, im Solobetrieb für manch kräftigen Kerl grenzwertig, wenn er noch was in den Rucksack stecken will. Der Kumpan 1953 ist nur für eine Person zugelassen, max. 118 kg. Selbst mit Gepäck klingt das sehr praxisnah. Das ist in meinen Augen ein wichtiges Kriterium, wird selbst beim Auto gern vernachlassigt, dem muss beim UnU nachgeholfen werden und sollte auch ein kleiner Bestandteil deiner Test´s sein.
Liebe Grüße
Sorry, da habe ich mich gewaltig geirrt, der UnU wird mit 150 kg max. Zuladung angegeben. Im Benutzerhandbuch wird eindeutig darauf hingewiesen. Damit habe ich den Flitzer zu unrecht kritisiert. Tut mir leid.
Liebe Grüße.
Hallo Jana,
deine Tests von UNU und KUMPAN waren sehr interessant. Mich würde interessieren, welche Unterschiede dir im direkten Vergleich aufgefallen sind. Der Preis spricht ja deutlich für den UNU und die Leistungsdaten scheinen vergleichbar …
Liebe Grüße, Burkhard
Hallo Burkhard,
der Kumpan ist etwas größer als der Unu. Vor allem bei Personen über 1 Meter 80 empfiehlt sich daher eher der Kumpan. Auch bei der Verarbeitung ist Kumpan noch ein ticken besser als beim Unu.
In der Gewährleistung Roller defekt Kumpan will nicht helfen Akku auch defekt nie wieder
Hallo Paul,
vielleicht kannst du ein paar mehr Details nennen. Was ist kaputt? Wie alt ist der Roller und hat er einen Lithium-Ionen oder Blei-Akku?