Renault stellt sich in Sachen Kommunikation rund um die neue Renault ZOE ziemlich ungeschickt an.
Ein Traum für jede PR-Abteilung. Ich habe für mein Produkt eine extrem affine Zielgruppe und ich weiß auch noch, wer es im einzelen ist und wo sie wohnen. Mehr noch, mit meinem Produkt beschäftigen sich mehrere Blogs und Foren. Auf Facebook schaffe ich es mit meiner internationalen Seite über 21.000 Fans zu gewinnen. Dabei handelt es sich bei meinem Produkt um ein Nischenprodukt, das es zudem bisher noch nicht einmal zu kaufen gibt.
Normalerweise müsste ich viel Geld in die Marktforschung stecken um meine Zielgruppe so genau zu kennen. Aber Renault hat es geschafft, diese Zielgruppe verhältnismäßig günstig zu identifizieren. Für das neue Elektroauto Renault Zoe konnten sich Interessenten gegen eine Gebühr von 49 Euro ein Fahrzeug reservieren. Zu diesem Zeitpunkt war das Auto noch nirgends auf dem Markt. Geshen hatten es bis dahin die wenigsten. Wann es in Deutschland beim Händler stehen würde, stand noch in den Sternen.
Wer sich so früh für ein neuartiges Produkt entscheidet wird in der Diffusionsforschung als „Innovator” „Early Adopter” bezeichnet. Diese beiden Gruppen können entscheidend sein, wenn es darum geht, ob sich ein neues Produkt oder eine technische Neuerung durchsetzt. Sie sind die Crème de la Crème bei der Anprache durch das Marketing und die PR. Sie sind keine normalen Kunden, sondern wollen ernst genommen werden und bedürfen einer besonderen Pflege.
Gut gestartet und dann stark nachgelassen
Ich habe im September die Reservierungsnummer 911 bekommen. Es waren also offensichtlich eine ganze Menge von Menschen bereit, Geld dafür zu bezahlen, nur um bei einer Auslieferung des Autos früher als andere an die Reihe zu kommen. Renault rechnet die 49 Euro dabei ausdrücklich nicht auf den Kaufpreis an. Dafür gab es aber exklusiven Zugang zu einem „VIP-Room” auf der Homepage und diverse Präsente. Diese hielten die Reservierer während der langen Wartezeit bei Laune. Im VIP-Bereich gab es exklusive Bilder und Videos und alle paar Wochen neue Infos zu Zoe. Die Präsente hatten es in sich und da gibt es rein gar nichts auszusetzen.
Die Webseite des VIP-Rooms dagegen ist selten lieblos gestaltet. Alle Informationen wurden einfach untereinander geklatscht. Infografiken waren so fisselig, dass man deren Inhalt lediglich erraten konnte. Die angebotenen Desktop-Hintergründe haben eine Auflösung von 640 x 356 Pixeln [sic!]. Zudem überholte das Presseportal von Renault nicht nur einmal den VIP-Bereich bei der Aktualität. Dass sich die eigentlich für März/April 2013 geplante Auslieferung von Zoe in Deutschland deutlich verschieben würde, erfuhren die Kunden dann auch nur aus der Presse und einschlägigen Blogs.
Videos von der Produktion in Flins oder dem ersten Werbespot in Frankreich tauchten ebensowenig im VIP-Room auf. Dieser Content erreichte die potentiellen Kunden auch wieder aus dritter oder vierter Hand. Mit der exklusivität des VIP-Rooms war es dann auch bald nicht mehr weit her.
Die Zielgruppe nicht Wert geschätzt
Dann lud Renault die wichtigsten Blogger und Journalisten zur Probefahrt nach Portugal. Wer jedoch frühzeitig eine Zoe reserviert hat, musste auf eigene Kosten teilweise mehrere Hundert Kilometer zu einem der wenigen Orte in Deutschland an denen das Auto dann Probe gefahren werden konnte. Und zwar genau zehn Minuten, auf einer festgelegten Route, ohne die Möglichkeit, mal schneller als 50 km/h zu fahren. Das ist natürlich normal, dass die Presse ob ihrer hohen Reichweite exklusive Probefahren bekommt und das bei neuen Modellen die ersten immer ein wenig die Katze im Sack kaufen. Zoe ist aber kein normales Auto, sondern ein Elektroauto. Die wenigsten Autofahrer hatten bisher das Vergnügen mit einem Elektroauto unterwegs gewesen zu sein und kennen nur die zahlreichen Unkenrufe der Verbrennerfreunde. Hier muss der Hersteller also besondere Überzeugungsarbeit am Kunden leisten.
Selbst bei dem Ladekabelkommunikationsdesaster sah sich Renault nicht genötigt mit den Reservierern Kontakt aufzunehmen und sie aufzuklären. Kein Wort davon, dass es das Notladekabel vorerst nicht geben wird, kein Wort daürber, dass die Wallbox nun zum Auto gehört und auf den Verkaufspreis mit 1.100 Euro aufgeschlagen wird. Auch hier waren die Reseriverer genauso schlau wie alle anderen und erfuhren häppchenweise die Details aus Presse und Blogs. Was aus den Kunden wird, die keine Wallbox benötigen, kein Wort von Renault – bis heute. Unglaublich, wie man sich so die Kommunikation und die Deutungshoheit aus der Hand nehmen kann.
Kommunikationsdesaster
Da half es auch nicht viel das der freundliche Herr von Renault Deutschland bei den Probefahrtterminen fleißig bemüht war die potentiellen Kunden aufzuklären. Da gab es von selbigen auch die Ansage, nach Ostern würden die Bestellungen geöffnet. Nun sind schon fast zwei Wochen rum. Bestellung? Fehlanzeige! Der hiesige ZE Stützpunkt ist völlig ahnungslos, während im Internet schon eine Kopie der Preisliste unterwegs ist. Renault hat noch nicht einmal die Kundendaten übermittelt, so dass die Autohäuser vor Ort schon ein wenig Kundenpflege betreiben könnten. Von Renault Deutschland? Nur Schweigen. Nachfragen auf der Facebookseite von Renault ZE werden entweder ignoriert oder mit Platitüden beantwortet.
Nachdem Zoe zeitweise komplett von der deutschen Renault-Webseite verschwunden war, ist er inzwischen wieder da. Der Link „Entdecken” führt zurück auf die Startseite und der Link „Konfigurieren” führt auf eine Fehlerseite. Hier steht derzeit auch noch der alte Preis ohne Wallbox. Gute Internetauftritte gehen anders.
Wer nichts sagt, fördert Spekulationen
Wer jetzt in Deutschland auf ein Elektroauto umsteigt ist Referenz für die Menschen in seinem Umfeld, die noch zögern ein solches Auto zu kaufen. Was für eine Referenz ist es aber, wenn man auf die Frage „Wann kommt denn dein Elektroauto?” Immer wieder antworten muss, dass man es nicht wisse und hoffe das es im März, im April, vielleicht im Juni oder doch im August so weit sei. Das hier von Renault nicht klar kommuniziert wird, ist nicht nachvollziehbar. Nobody is perfect – wenn es Probleme bei der Bestellungsaufnahme gibt, dann muss das eben kommuniziert werden und nicht die Netzgemeinde munter darüber spekulieren lassen, ob es vielleicht doch Qualitätsprobleme gebe. Die Gemeinde ist zwar klein aber wichtig, weil diese Menschen es sein werden, die mit den Elektroautos von Renault durch die Städte fahren werden und zeigen, dass Elektromobilität keine grüne Spinnerei ist. Diese Menschen werden ihrem Umfeld von ihren Erfahrungen berichten. Ihre Meinung wird weite Kreise ziehen. Denn gerade weil es so wenige sind, wird deren Meinung immer wieder herangezogen, wenn es um Elektroautos geht. Wenn Innovatoren und Early Adopter aber keine Lust mehr haben, geht der Plan nicht auf. Die eigentlich zu setzende Botschaft „Elektromobilität ist möglich, vernünftig, gut, bezahlbar und vor allem Renault”, geht verloren und hängen bleibt die Kommunikation Dritter, die nicht von mir gesteuert ist und negative Botschaften setzen kann.
Auto ist Emotion
Ein Autokauf ist eine sehr emotionale Entscheidung, nicht umsonst geht es in Autowerbung immer um Emotionen. Eigentlich sollten die Autohersteller die Kunden daher bei guter Laune halten. Zumindest solange bis der Kaufvertrag unterschrieben ist. Renault hat es leider nicht geschafft, die Kommunikationshoheit über ihr Produkt zu behalten, obwohl sie genau wussten wen sie ansprechen müssen und wie sie diese Leute erreichen. Viele Chancen in einen wirklichen Dialog einzutreten wurden leichtfertig vertan. Sicher werden sich viele trotzdem nicht gegen Zoe entscheiden und nach langer Vorfreude doch einen Kaufvertrag unterschreiben. Die Euphorie von Anfang ist dann aber leider schon getrübt.
Es ist also noch deutlich Luft nach oben was die Kampagnen angeht. Trotz einiger Mängel hat Renault dabei aber Maßstäbe gesetzt., trotzdem sollte es eine ehrliche Analyse der Kampagne geben. Daimler hat es nicht so gut verstanden den Smart ED dem breiten Publikum zu präsentieren. Auch hat der Smart ED deutlich weniger Resonanz in den Medien und im Netz erzeugt. Unübertroffen ist bei der Kommunikation einzig, wie so oft, der californische Autobauer Tesla.
Update 14. April, 01:00 Uhr
Am 12. April reagierte Renault morgens auf den Artikel mit folgendem Tweet:
@zoepionierin Danke für die offenen Worte. Link wird gerade korrigiert, es handelt sich um einen Fehler im CMS, ärgerlich ^fa
Heute funktioniert der Link immer noch nicht – Das es eigentlich auch nicht um den Link ging, haben sie wohl auch nicht verstanden. Inzwischen heißt es, dass ab Donnerstag den 18. April die Bestellung für Zoe geöffnet wird. Auch diese Information stammt aus zweiter Hand, da Renault es auch hier nicht für nötig erachtete die Reservierer zu informieren. Auch mein Autohaus scheint noch von nichts zu wissen.
In den letzten gut 48 Stunden haben zahlreiche Menschen den Artikel gelesen und weiter über das Netz verbreitet. Vielen Dank dafür.
10 Kommentare
Ein sehr guter Artikel! Renault hat hier definitiv extrem Potential sich zu verbessern!
Speziell die Informationspolitik ist vollkommen unverständlich, bekommt man doch immer eine Antwort, wenn man die richtigen Leute direkt anspricht. Wieso werden diese Infos dann nicht auch öffentlich kommuniziert? 🙁
Sehr gut war in der Tat, was man an Präsenten bekommen hat!
Du hast meine Gedanken perfekt in Worte gefasst. Wenn ich, wie nun zugesagt, in der 1. Juni Woche nicht in meinem ZOE sitze, mache ich einen Kaufrücktritt. 1 Jahr Warten ist genug.
Hallo,
als einer der ersten Twizy – Fahrer und Zoe Interessent fühle ich mich keinesfalls
fehlinformiert. Die Informationen von meinem Autohaus, es gäbe da noch zu klärende
Probleme, welche den Termin verzögern, reichen mir vollkommen aus.
Ich muß Renault hier einfach zutrauen daß sie tun was sie können – ein ausgereiftes Produkt
auf den Markt zu bringen, bei dem man später mit standfester, erprobter Technologie versorgt wird.
Was nutzt es denn ein Fahrzeug zu haben bei dem dann auftretende Fehler den Eindruck erwecken, hier wäre eine etwas längere Entwicklungszeit nötig gewesen ?
Über Den Punkt „Emotionen“ kann ich nach wie vor nur lachen. Ich möchte ein Auto kaufen. Die Emotionen gibts bestenfalls gratis dazu.
Informationen, Ladekabel, Webpages, Vip – Rooms……..
Wozu permanent Dinge abfragen, für die es eventuell noch gar keine Antwort gibt ?
Geduld – ich bin mir sicher, Renault macht das schon richtig.
Gruß Jörg
Wenn Renault seine ganze Manpower ins Produkt steckt, statt sich um die Homepage zu kümmern, könnte man das stümperhafte Vorgehen akzeptieren…aber ich fürchte bald, es wir so sein wie in den letzten 20-30 Jahren, wenn es ums Elektroauto ging.
Von den Autobauern kommt diesbezüglich nichts Richtiges zu Stande, da werden Autos gebaut, die sind viiiiel zu teuer, viiiiel zu schwer, viiiel zu hässlich, haben viiiel zu lange Lieferfristen, oder aber sie haben keine richtigen Türen, und wenn das alles nichts bringt um die Käufer abzuschrecken, kombiniert man das Ganze mit einer zu kleinen Batterie um zu beweisen, dass es sich halt immer noch nicht rechnet mit einem Elektrofahrzeug herumzufahren…
Ich selber fahre seit Jahren mit einem E-Twingo, ich habe seither 3x Scheibenwischerwasser nachgefüllt und sollte mal wieder schauen, ob die Bremsen überhaupt noch da sind, wenn Sie wissen was ich meine…
Hallo Jana,
ja, sehe ich auch so. Die Kommunikation von Renault muss auf alle Fälle verbessert werden!
Dann warten wir weiter…. 🙁
Zum Glück habe ich noch den Fahrspaß mit dem SAM ( http://sam-evii.blogspot.de/ ) und sammle meine eigenen elektrischen Erfahrungen seit 30.000km!
Die Hochschule Kempten verkauft 3 Fahrzeuge ihrer e-Flotte, vielleicht wäre das auch was für Dich?
http://www.elektroauto-forum.de/Kleinanzeigen/index.php?id=211
Der kleine macht gute Laune 🙂
Gruß
Holger
Daimler will, wie die anderen eigentlich keine Elektroautos verkaufen – sie müssen. Um sich den CO2-Flottenausstoss schön zu rechnen.
Renault wagt sich schon relativ weit raus, vielleicht durch Better place beflügelt, und kann jetzt nicht mehr wirklich zurück (wie Audi). Letztenendes wird die Strategie von Renault aufgehen, wenn der Benzinpreis weiter steigt und sie die einzigen sind, die inzwischen mit Serienfahrzeugen deutlich mehr Erfahrung haben als die Konkurrenz.
In Sachen PR und maßgeschneiderte Konzepte für den Umgang mit Kunden, kann Tesla niemand etwas vormachen. Das Konzept ist schon so angelegt, dass die Teslas nicht neben einem Verbrenner beim Händler stehen. Ganz Applestore-like soll der Kunde sofort auf DAS Produkt fokussieren und alles andere ausblenden. Diese Situation entsteht in keinem anderen deutschen Autohaus. Verkäufer, die sich nicht auskennen und meist auch kein spezielles Interesse an E-Mobilität haben werden auf gut informierte Early-Adopters losgelassen. Da muss es krachen…
Gruß, Christian]
Mir ist da noch was im Vertrag der Zoe Vorbesteller auf seite 2 aufgefallen.
http://i46.tinypic.com/bydtx.jpg
Das Marketing von Tesla ist sicher besser, aber auch nicht perfekt. Tesla ist aber kein alteingesessener grosser Automobilhersteller, sondern eine neue kleine Firma. Die Entscheidungs-/Kommunikationswege sind viel kürzer, die Firma als Ganzes viel agiler, und Elon Musk hat Charisma.
Die etablierten Hersteller tun sich alle sehr schwer mit der Elektromobilität. Ihnen fehlt irgendwie der Enthusiasmus und die Überzeugung von Tesla. Man hat, wie schon in einem andern Kommentar erwähnt, das Gefühl, dass es ein Muss und kein Wollen ist. Es fehlt ein wenig das Herzblut!
Aber Ihr Deutschen seid bzgl. Zoe immer noch besser dran als wir Schweizer. Ihr kommt definitiv früher zu einem Zoe als wir, obwohl unser Land für Elektromobilität prädestiniert ist und als Land der Teslas gilt. Aber das ist natürlich auch ein Vorteil: wir werden von Euren Erfahrungen profitieren können. Danke für den interessanten Blog 🙂
Ich bin total gespannt auf den Zoe.
Dass das Projekt bzgl. der Akkus technologisch schwierig ist, entschuldigt die Verzögerungen – solange am Ende ein gutes Elektroauto herauskommt.
Ich vetraue Renault und bewundere den Mut der Firma.
Die Franzosen haben schließlich bereits in den 90er Jahren gezeigt, dass sie ein funtionsfähiges Elektroauto bauen können. Eins davon fahre ich seit Mai 2008 fast täglich bei Wind und Wetter. 66.000 km stehen auf dem Tacho, die (NiCd-)Akkus von SAFT sind bis zu 18 Jahre alt.
Vive la France!
Vielen Dank für den Artikel, spricht mir aus der Seele. Ich habe mich trotz der Begeisterung für den Zoe, den ich auch probegefahren bin, aus Vernunftgründen (3 Hunde, Mann mit Rolli) für den Kangoo Maxi ZE entschieden. Den Kaufvertrag habe ich jetzt seit gut 2 Wochen unterschrieben, das Fahrzeug wartet brav als Tageszulassung beim Händler. In einem Geistesblitz hatte ich beim Vertrag darauf bestanden, das Fahrzeug erst zu bezahlen und zu bekommen, wenn die Steckdose liegt. Lt. Renault muss man ja über RWE und Hochtief dabei gehen. Die Vorarbeiten wollte ich von meinem Elektriker machen lassen. Der versucht nun seit einer Woche, einen Leistungsschutzschalter zu bekommen, der in den von der RWE mir zugesendeten Unterlagen vorgeschrieben ist. Hochtief hat sich noch überhaupt nicht gemeldet. Die Wallbox steht im Flur, Riesenmonster!
Bei der Suche nach einer günstigen Versicherung haben alle Onlinerechner versagt, da es den Kangoo ZE nicht gibt. Rückfrage bei den Verursachern der Rechner: Das Auto gibt es auch nicht bei Schwacke. EMC waren die einzigen, die das Fahrzeug kennen und auch versichern und das preisgünstig! Mit meinem Versicherungspartner – einer der Größten – hatte ich wiederholte Debatten über den HUBRAUM des ZE 😉 Die von Renault vermittelte directline kannte ihn auch nicht!?!
Bin gespannt, wann die Steckdose fertig ist und noch mehr, welche Abenteuer mich auf der Zulassungsstelle erwarten, wenn es dieses Auto doch gar nicht gibt.
Doch, ich finde schon, dass sich Renault darum kümmern müsste, dass seine Fahrzeuge auch in der Peripherie des Autohauses bekannt sind.