Renault hat mit für eine Woche einen Twizy geliehen. In der Zeit hatte meine Zoe Sendepause und ich habe alle Fahrten mit dem kleinen Flitzer zurückgelegt. Wer Twizy fährt, dem fällt eines auf, nämlich das man auffällt. Viel mehr als Zoe, die wie ein ganz „normales” Auto aussieht, ist dem Twizy seine Andersartigkeit direkt anzusehen.
Nachdem HeckMeck von Ökoalltag gut eine Woche mit dem Twizy unterwegs war, hat er mir den kleinsten elektrischen Renault in der Tiefgarage des Landtags übergeben. Wie so oft bei Vorführfahrzeugen, ist auch der Test-Twizy üppig ausgestattet. Bluetooth-Freisprecheinrichtung, Panoramadach, Aluflegen, Rückfahrsensoren und das wichtigste die beiden halbhohen Flügeltüren. Alles aufpreispflichtige Extras.
Vor etwa einem Jahr war ich schon mal mit dem Twizy unterwegs. Für eine Stunde habe ich das Gefährt vom örtlichen Renault-Händler zur Probefahrt bekommen. Um die Zeit habe ich auch von Zoe erfahren. Da ich ein vollwertiges Auto wollte und nicht einen Verbrenner und ein Zweitfahrzeug, habe ich mich entschieden, noch ein wenig zu warten, zu sparen und mir eine Zoe zu kaufen. Seit dem habe ich mir aber immer wieder die Frage gestellt, hätte ein Twizy auch für meinen Alltag gereicht?
Parkplatzprobleme? Welche Parkplatzprobleme?!
Das zu testen hatte ich nun eine Woche Zeit. Das Ziel dabei war, wirklich alle Fahrten mit dem Twizy zu machen und meine Zoe konsequent stehen zu lassen. Das ging natürlich nur, weil ich über das Wochenende nicht nach Mainz gefahren bin. Solche Strecken sind mit dem Twizy nur mit Zelt und Schlafsack zu bewältigen. Er ist eben keine Reiselimousine, sondern ein Stadtflitzer. Und in der Stadt ist man König bzw. Königin mit diesem winzig kleinen Gefährt. Statt sich über die Vollpfosten zu ärgern, die mit ihrem Smart geschickt zwei Parkplätze belegen, freut man sich über die Restlücke und stellt den Twizy einfach quer an den Straßenrand. Denn er ist nicht länger als ein normales Auto breit, passt also in jede Lücke die größer als 1,5 Meter ist. Und davon gibt es in der Großstadt viele.
Leider findet sich an diesen Minilücken selten ein Steckdose, so dass der Städter der Abends mit dem Twizy von der Arbeit zurück in seinen Kiez fährt, Probleme haben wird Strom in sein Gefährt zu bekommen. In Stuttgart stehen zwar reichlich Ladesäulen rum, doch die rechnen nach Zeit ab, so muss der müde Stuttgarter, nach den 3,5 Stunden Ladezeit nochmal von der Couch aufzustehen oder aus der Kneipe zu wanken und seinen Twizy umparken. Wer sich einen Twizy zulegt, sollte sich also Gedanken über die Lademöglichkeiten machen. Da der Twizy aber nur eine normale Haushalts-Steckdose, auch Schuko genannt, zum Laden braucht, sollte die Suche nach einer Lademöglichkeit nicht allzu kompliziert sein. Mit einem Adapter kann der Twizy auch an Typ 2 Ladesäulen laden.
Stadt, Land – alles im Fluss
Für mich und meinen Alltag war es kein Problem. Zu meiner Wohnung gehört ein kleiner Garten und in der Hütte gibt es zwei Schukosteckdosen. Mit einem Verlängerungskabel konnte ich so vor der Garage meines Vermieters laden.
Die ungewöhnliche Form und das ungewöhnliche Fahrgeräuch sorgen natürlich für Aufmerksamkeit. So standen manche Kollegen um den Twizy herum und bewunderten den weißen Flitzer. Andere Kollegen waren schnell mit Spitznamen wie Bobbycar dabei. Andere Autofahrer starren einen entweder mit offenen Mund an oder grüßen freundlich mit gerecktem Daumen. Kinder verdehen sich die Hälse nach dem sonderbaren Gefährt. Manche schauen neidisch aus ihren Stinkern, wenn sie sehen das man selbst deutlich Spaß am Fahren mit dem Twizy hat. Wie aber schlägt sich der Twizy nun auf der Straße?
Im Stadtverkehr schwimmt der Twizy problemlos mit. Die Beschleunigung könnte jedoch unten heraus etwas spritziger sein. Mit seinen 80 km/h Höchtgeschwindigkeit, habe ich jedoch die Autobahnen gemieden. Ich bin nur ein kurzes Stück auf der B 27 Richtung Tübingen gefahren. Hier waren 120 km/h erlaubt. Da fühlt man sich mit dem Twizy nicht sehr wohl. Auf der Landstraße kommt man mit dem Twizy aber gut vorwärts. So habe ich mit ihm abends auch noch einige Ausfahrten ins Stuttgarter Umland gemacht. Das Wetter war ideal, um durch die lauen Abende Richtung Sonnenuntergang zu fahren. Da macht der Twizy einfach nur Spaß. Auch bei kruvigen Straßen die die Berge rund um Stuttgart hoch und runter führen, hat der Twizy trotz fehlendem ESP und ABS gut gemeistert. Da kommt schnell Gokart-Feeling auf. Der tiefe Schwerpunkt hält den Twizy gut auf der Straße. Allerdings fiel in der letzten Woche kein Tropfen Regen, so dass ich das nur für trockene Straßen sagen kann.
Holter, die Polter
Bedingt durch seine Bauart ist beim Twizy nicht viel Platz für eine komfortable Federung. Zwar ist er nicht ganz ungefedert, doch rumpelt es teilweise schon ordentlich. Auch wenn der Elektroantrieb wesentlich leiser als ein Verbenner ist, sucht man die Stille, die man von anderen Elektrofahrzeugen her kennt hier vergeblich. Neben dem Elektromotor, der ein wenig nach Mixer klingt, hört man am auch die Rollgeräuche der Reifen und das etwas astmathische Quitschen der Bremsen beim Verzögern. Sobald aber ein Verbennerauto an einem vorbeifährt hört man nur noch dessen Motor. Nur um deutlich zu machen auf welchen Niveau sich die Geräuche beim Twizy bewegen.
HeckMeck hat in seinem Bericht über den kläglichen Sound der Freisprecheinrichtung geklagt. Nun gut, telefonieren ist bei mehr als 30 km/h wirklich nicht mehr drin. Der Gesprächspartner hört dann nur noch Windgeräuche. Die Lautstärke beim Musik hören über Bluetooth fand ich jedoch auch bei höheren Geschwindigkeiten noch ausreichend und ließ sich problemlos über den Lautstärkeregler am Bedienteil der Freisprecheinrichtung steuern. Nervig ist, dass die Klappen der Ablagen vorne nicht von alleine offenbleiben und einem immer wieder auf den Handrücken fallen, wenn man etwas in den Fächern sucht. Eine offene Ablage, etwa für das Smartphone fehlt leider auch. Praktisch wären auch Befestigungsmöglichkeiten für die Einkaufstaschen. Stehen Sie einfach nur auf dem Rücksitz, bedeutet eine Vollbremsung: Omlette statt Spiegelei. Ansonsten reicht der Rücksitz aus, auch mal etwas mehr Gepäck aufzunhemen. Sei es der Einkauf oder Arbeitsmarterial.
Land auf, Land ab. Berg ein, Berg aus…
Neben fehlenden Assitenzsystemen wie ESP und ABS ist die Rekuperation in meinen Augen eine der größten Schwächen des Twizy. Diese lässt sich nur marginal über das Gaspedal steuern. Das Bremspedal geht direkt auf die mechanischen Bremsen. Während ich diese bei Zoe eigentlich nur selten brauche, musste ich sie beim Twizy sehr oft einsetzen. Nicht nur wenn es bergab ging, auch vor mancher roten Ampel hätte man viel mehr Energie in den Akku zurückschaufeln können. Gerade in der Stadt mit häufigen Stop and go könnte Renault hier sicher noch einiges an Reichweite herausholen. Im Test hat der Twizy auf 53 Kilometer ab Steckdose 4,7 Kilowattstunden verbraucht. Das macht etwa 8,9 Kilowattstunden auf 100 Kilometer. Bei dieser Fahrt habe ich aber einige Berge erklommen, bin auch über Landstraße gefahren und habe nicht auf Sparsamkeit geachtet. Beim Verbrauch ist also noch Luft nach unten. Insgesamt war ich in der Woche mit dem Twizy über 320 Kilometer unterwegs. Die steilen Steigungen in Stuttgart haben dem Twizy keine Probleme bereitet. Ich hatte nie das Gefühl, dass ihm am Berg die Puste ausgeht.
Einzig die Reichweitenanzeige bricht bergauf in Panik aus. Zwei Kilometer Entfernung und 200 Höhenmeter Unterschied, können da schon mal 20 Kilometer ausmachen. Und es dauert eine Weile bis sich die Anzeige wieder beruhigt. Mit dieser sehr konservativen Berechnung der Restreichweite will Renault sicher verhindern, dass all zu viele mit dem Twizy liegen bleiben. Aber es ist wie beim Roller, Verbrennerauto oder E-Auto. Irgendwann weiß man die Anzeigen zu lesen und kann ganz gut abschätzen ob der Tank/Akku noch bis heim reicht.
Sonst noch was?
Auf dem Vordersitz merkt wenig davon, dass der Twizy keine Seitenscheiben hat. Es zieht kaum, so dass man auch bei niedrigeren Temperaturen mit entsprechender Kleidung im Twizy mobil sein kann. Es gilt also auch beim Twizy das Sprichwort: „Es gibt kein falsches Wetter, sondern nur falsche Kleidung.” Einzig bei der Fahrt durch den 2,3 Kilometer langen Heslacher Tunnel in Stuttgart habe ich mir ob der schlechten Luft in der Röhre ein geschlossenes Fahrzeug gewünscht. Inzwischen sind auch Seitenfenster als Zubehör lieferbar.
Heute wurde der Twizy wieder abgeholt und ich genieße wieder den Komfort eines Autos. Der Twizy ist nämlich vieles, nur kein Auto. Das sieht auch die Zulassungsbehörde so, daher läuft der Twizy als Quad.
Für meinen Alltag in der letzten Woche hat der Twizy jedoch völlig ausgreicht. Ich bin überall higbekommen, habe alle Einkäufe unter- und heil nach hausgebracht und musste nicht verhungern, auch bin ich nicht mit leerem Akku irgendwo verloren gegangen. Renaults kleinstes Elektrofahrzeug hätte also theoretisch auch für mich gereicht. Selbst meine Mutter konnte ich auf dem Rücksitz mitnehmen.
Der Twizy ist also ideal für den urbanen Pendler, der vom Vorort täglich in die Stadt fährt. Auch aus den Speckgürteln kommt man mit dem Twizy noch in die Stadt. Aber auch für den Stadtmenschen kann der Twizy, wenn es eine Lademöglichkeit gibt ideal sin. Dabei kommt selbst im zähen Stadtverkehr Fahrspaß auf. Der Twizy schließt sinnvoll die Lücke zwischen Roller und Auto. Dabei ist der Twizy ein Hybrid aus rationalem Nutzen und Spaßmobil.
Renault sollte bei der Modellpflege noch an Rekuperation, Assistenzsystemen und einem besseren Scheibenwischer arbeiten, um den Twizy noch besser zu machen.
3 Kommentare
Hallo Jana,
stimmt, wie auch der SAM (http://sam-evii.blogspot.de/) gehört der Twizy zu der Kategorie „gute Laune Fahrzeug – Fahrspaß garantiert“ . Mein Tipp: Wenn Du mal die Möglichkeit hast dann fahre mal einen SAM, hier wirst Du auch bei Regen nicht nass 😉
Diese Fahrzeuge zaubern ein lächeln ins Gesicht….
Gruß
Holger
P.S.: War mal wieder ein schöner Bericht von Dir
Für den Twizy gibt’s die (Plastik)Seitenscheiben inzwischen als Zubehör. Zwar nicht direkt von Renault, sie sollten aber dennoch beim Händler zu bekommen sein.
Bin neulich hinter einem Twizy an der Ampel gestanden und fand es sehr cool, daß der Fahrer die Arme an beiden Seiten aus dem (nicht vorhandenen) Fenster baumeln lassen konnte.