Was machen, wenn es kein passendes Elektroauto zu kaufen gibt? Ganz einfach, man baut sich selbst eines. Was manchen Autobauer vor scheinbar unlösbare Probleme stellt, haben eine Werkstatt und ein Elektroingenieur aus Wackernheim bei Mainz geschafft. Mit ihrem Entenumbau zeigen sie, dass Elektromobilität kein Hexenwerk sein muss.
Eine Freundin hat mir erzählt, dass sie eine elektrische Ente gesehen habe. Die stünde immer in Wackernheim rum. Eine elektrische Ente? Serienmäßig ist die jedenfalls bei Citroën nie vom Band gelaufen. Als ich durch Wackernheim gefahren bin, habe ich das seltsame Gefährt dann selbst vor der Autoklinik Rosenstock stehen sehen. Eine erste optische Begutachtung bestätigte, dieser französische Klassiker hat das fossile Antriebszeitalter tatsächlich verlassen. In den USA wurde ein alter Käfer als Elektroauto umgerüstet, von einer elektrischen Ente hatte ich aber noch nichts gehört. Ich wollte mehr wissen über diesen ungewöhnlichen Umbau also habe ich eine Email geschrieben.
Eine Ente hat mindestens zwei Leben
Postwendend kam die Antwort und schon wenige Tage später war ich mit einem der Besitzer der Elektrente, wie sie von ihnen genannt wird, verabredet. Der Elektroingenieur Roland Venohr hat mich zu sich eingeladen, um mir die Elektroente zu präsentieren. Er hat sich um die Technik des Elektroantriebs und Akkus gekümmert, während Stefan Rosenstock von der Autoklinik Wackernheim sich um die Karosserie und das Fahrwerk der Ente kümmerte. Und das war auch dringend nötig. Grundlage für den Umbau war ein eher junger aber kaltverformter 1989er 2 CV. Der Unfallwagen war stark deformiert und wurde vom Rahmen her neu aufgebaut. Nach dem ein Verzinkter Rahmen eingebaut wurde, bekam die Ente ein neues Blechkleid und die verformten Karosserieteile wurden ersetzt. So frisch aufgeputzt und ohne Innereien war das Auto dann bereit für sein neues Herz.
Wer schon mal einem Elektroauto unter die Haube geschaut hat, der weiß dass die Technik dieser Fahrzeuge sehr übersichtlich ist. Stromspeicher, Steuerung und Motor – fertig ist das Elektrogefährt. Die acht Kilowattstunden (85 Volt, 100 Amperestunden) großen Lithium-Ionen Akkus sind unter dem Kofferraum verbaut und lassen noch genug Platz, das Akkupaket auf 16 Kilowattstunden zu vergrößern. Trotzdem findet sich im Kofferraum noch ausreichend Stauraum für den wöchentlichen Einkauf. Unter der Motorhaube sitzt dann der Elektromotor und die Steuerung. Für die Heizung sorgen zwei 1,2 Kilowatt Reiseföns.
Die Heizung übernimmt ein Reisefön
Das Batteriemanagement hat Venohr selbst entwickelt und gebaut. Die restlichen Teile musste er in der ganzen Welt zusammensuchen. So stammen die Akkus und die Motorsteuerung aus China und der Motor aus den USA. Insgesamt hat der Umbau 10.000 Euro verschlungen. Dabei waren die Batterien mit 4.500 Euro der größte Posten. Die Leistungen der Ente können sich aber sehen lassen. Im Sommer schafft sie 80 Kilometer und im Winter etwa 60 Kilometer. Mit 630 Kilogramm ist die Elektroente im Vergleich zu modernen Serienfahrzeugen sehr leicht, so kommt sie locker mit 10 Kilowattstunden auf 100 Kilometer aus.
Da der derzeit verbaute 12 Kilowatt Permanentmagnet-Motor etwas drehzahlschwächer als der originale Entenmotor ist läuft sie in der Spitze nur etwa 80 km/h. Der Elektromotor hängt am originalen Entengetriebe. Während der Fahrt benötigt sie aber nur den dritten und vierten Gang. Demnächst soll der Motor durch einen fremderregten 20 Kilowatt Drehstrommotor ersetzt werden. Damit soll die Ente dann auch wieder gut 110 km/h schnell sein. Die Elektroente beherrscht auch schon die Kunst des Rekuperierens. Wenn man vom Gas geht, wird aus dem Motor ein Generator, der die Akkus wieder lädt. An der Steckdose benötigt die Ente etwa sieben Stunden bis sie wieder voll ist, da das Ladegerät lediglich 1,5 Kilowatt leistet. Damit kann sie aber bedenkenlos an jeder Schuko-Steckdose geladen werden.
Ente fahren! Ich darf Ente fahren!
Nach dem ganzen Fachgesimpel am Esstisch ging es dann auf eine Probefahrt mit der Elektro-Ente. Da ich noch nie in meinem Leben eine Ente selbst gefahren bin und mir die Revolverschaltung irgendwie nicht geheuer ist, nahm ich erst Mal auf dem Beifahrersitz Platz. Leider goss es bei der Probefahrt wie aus Eimern, so dass das Rollverdeck leider zu bleiben musste. Dafür konnte die Frontscheibenheizung unter Beweis stellen was sie kann. Der im Motorraum verbaute Reisefön befreite die Frontscheibe dann in ententypischer Gemütlichkeit vom feuchten Beschlag. Am alten Finther Airfield haben wir dann die Plätze getauscht und ich durfte selbst die Elektroente fahren. Nach ein paar langsamen Runden auf dem Airfield ging es dann über die Landstraße nach Finthen.
Eine Ente bleibt eine Ente, auch wenn sie von einem Elektromotor angetrieben wird. Das noch im Betrieb befindliche Getriebe sorgt auch noch für den gewissen Entensound. Die Kennlinie der Motorsteuerung ist entengemütlich eingestellt und bringt den Vortrieb sanft dossiert auf die Vorderachse. Der derzeit verbaute Elektromotor klingt dabei ein wenig nach Straßenbahn. Trotzdem kann man sich in der Elektroente bei 70 km/h noch in normaler Lautstärke unterhalten. Der neue Motor soll dann noch leiser laufen.
Die Gewichtverteilung ist beim Umbau durch die Akkus im Heck und den Motor samt Steuerung im Motorraum recht ausgeglichen und sorgt für ein stabiles Fahrgefühl. Im Gegensatz zu ihrer stinkenden Schwester gleitet sie aber natürlich viel eleganter über die Straßen. Da kein Verbrennungsmotor für Vibrationen sorgt, klappert auch nichts. Zudem ist man mit guten Gewissen unterwegs, da es keinen Auspuff mehr gibt und damit auch keine stinkenden und giftigen Abgase. Getankt wird die Elektrente übrigens mit Ökostrom vom eigenen Solardach. Ansonsten belaufen sich die Energiekosten für 100 Kilometer auf etwa drei Euro.
Zum Abschluss des Tages ist Roland Venohr dann noch mit meiner Zoe Probe gefahren. Da er außer der Ente und einem Twizy noch kein Elektroauto gefahren ist, war er natürlich neugierig auf ein „industrielles” Elektrofahrzeug. Auf der kurzen Strecke hat ihn aber meine Zoe überzeugt. Sein Fazit war dementsprechend: „So muss ein Elektroauto sein!”
Klassiker fahren mit gutem Gewissen
Der TÜV war übrigens angetan vom Umbau und machte keine großen Probleme. Drei Mal wäre man da gewesen, so Venohr, zunächst habe man die Pläne vorgestellt und sei auf höfliches Interesse gestoßen. In der Endphase des Umbaus ging es dann mit der Ente zum Prüfer der noch Kleinigkeiten bemängelte. So müssen bei Elektroautos die Starkstromkabel alle orangefarben sein, auch in einer Ente. Die endgültige Abnahme nach dem Umbau sei dann Problemlos verlaufen, sagte Venohr. Für die Versicherung ist die Elektroente eine Ente und wird genauso berechnet. Nur das Finanzamt will sich nicht auf die zehn Jahre Steuerbefreiung einlassen. Hier fahre jedes Finanzamt seine eigene Politik, bemängelte Roland Venohr, in anderen Städten würden Umbauten anerkannt. In Mainz bisher noch nicht. Auch eine Umweltplakette gab es für die emissionslose Französin nicht. Immerhin aber eine Sondergenehmigung zur Einfahrt in die Umweltzone, mit dem freundlichen Hinweis des Amtes, sich doch bitte zeitnah ein schadstoffärmeres Fahrzeug zuzulegen.
Vielleicht ist dieser Elektroumbau Vorbild für andere Klassiker und Oldtimer. Gerade bei der Ente wie bei anderen alten Autos ist der Motor nicht wirklich das erhaltenswerte am Fahrzeug. Vielmehr macht er bei der Konservierung des Fahrzeugs mit den meisten Aufwand. Ein bürstenloser Elektromotor dagegen überlebt mit großer Wahrscheinlichkeit jedes Autoleben. Und der Liebhaber kann so an seinem automobilen Schatz schrauben ohne ölige Finger zu bekommen. Und nach einem surrendem statt knatternden Oldtimer drehen sich die Leute zweimal rum.
Um die Investitionen für den Umbau wieder reinzufahren müsste die Ente aber noch ein sehr langes Leben haben. Bei diesem Umbau ging es aber nicht darum. Venohr und Rosenstock wollten zeigen, dass es einfach möglich ist ein Fahrzeug auf Elektroantrieb umzurüsten. Es gebe sogar schon weitere Interessenten die sich eine Ente umrüsten lassen wollen, sagte Venohr. Mit steigender Stückzahl, werden auch hier die Kosten sinken. Die deutsche Autoindustrie forscht seit Jahrzehnten und kassiert fleißig Förderung vom Staat. Es gab schon den Einser Golf als Versuchselektrofahrzeug. Mit dem BMW i3 und dem VW e-Up kommen aber erst Ende des Jahres die ersten deutschen elektrischen Serienfahrzeuge nach dem Smart ED auf den Markt.
6 Kommentare
Sehr schön!
Das ist nun nicht die erste E-Ente …
Bei einem Energieversorger aus NL faehrt eine (WIRKLICH PROFESSIONELL UMGEBAUTE)
E-Ente als „Showcar“ und bei einigen EV-lern steht sowas auch in der Scheune …
… und wer bei EValbum.com nach 2CV sucht wird „geradezu erschlagen“ …
Elektrische Gruesse
aus dem Rheinland
(in Leverkusen steht auch noch eine E-Ente mit 48V DMC-Steuerung …)
Sehr schön, aber ich würde ja das Entengeräusch ein bisschen vermissen.
ja, ich finde auch das Geräusch von dem Ente sehr toll.
Weiter so!!! Nur so kommen wir aus dem Benzin/Oel- Desaster. Ich find es Klasse das es so vorwärts geht. Ich würde mir solch ein Gefährt für den Alltag zulegen. Manchmal ist halt weniger mehr. Ausserdem bleibt es bezahlbar für den Normalbürger! Gruesse und weiter so!!
Es gibt schon jetzt Elektroautos gebraucht für unter 10.000 Euro. Die Zoe ist derzeit ab 15.800 Euro neu zu haben. Für alle die lieber etwas kultiges hätten gibt es zahlreiche Möglichkeiten zur Umrüstung. Sei es ein Umbauset von ReeVolt oder eine der zahlreichen spezialisierten Werkstätten. Das ist aber eher was für wirkliche Liebhaber. Denn ein Umbau ist meist teurer als ein gutes gebrauchtes Elektroauto.